Das 9. Internationale Modern Arnis Sommerlager des DAV in Osterburg

Die Bewohner von Osterburg, einer kleinen Gemeinde in der Altmark Sachsen-Anhalts mit gerade einmal 7.300 Einwohnern (~12.000, wenn man den gesamten Bezirk zählt), sind seit der Einweihung der Landessportschule (LSS) im Jahre 2001 sicher um einige Eindrücke reicher geworden – denn unterschiedlichste Sportler aus der ganzen Republik nutzen seither gerne und oft das vielfältige Angebot der Sportschule und der umliegenden Gemeinde.

Doch die mittlere ‘Invasion’ durch eine Horde ‘putzig rot-weiss gekleideter’ Menschen, die zudem noch mit Stöcken, Stäben, Messern und sonstigen Gegenständen wie wild rumfuchteln und aufeinander einschlagen, sich teilweise zu Boden werfen, hebeln, treten und dergleichen … und dabei auch noch fröhlich sind – das war sicher neu für die Osterburger!!!

Schon am Montag den 01.08.2005 um die Mittagszeit, als ein Großteil der angemeldeten Arnisadores aus der weiten Welt endlich den Weg in das idyllische Altmarkstädtchen gefunden hatte, blieb kein Zweifel: dies würde das phänomenalste Sommerlager überhaupt werden!

Die Ankunft brachte einen Vorgeschmack auf die perfekte Organisation des Camps: man wurde sofort im ‘Büro’ von den Organisatoren Sven Barchfeld (1. Vorsitzender des DAV) und Hubert Mayr (Geschäftsführer des DAV) aufgenommen, einem Zimmer zugeteilt und die charmante Crew an der Rezeption der LSS übergab die modernen Schlüsselkarten für die Zimmer. Apropos modern: die LSS entspricht einem drei Sterne Hotel der DEHOGA und bietet neben Sauna, Solarium, Kraftraum und den überaus gut ausgestatteten Sportanlagen gemütliche Zwei- und Dreibettzimmer mit allem Komfort.

Nachdem alle ihr zuhause für die nächsten sieben Tage gefunden hatten, bzw. der eine oder andere Zimmertausch abgeschlossen war, ging es gleich mächtig los: die erste offizielle Einheit, das Begrüßungstraining.
Zunächst einmal war es jedoch ein wahrlich bewegender Anblick, annähernd 150 Arnisadores, davon ca. 80 Farbgurte (Klasen) und der Rest Dan Träger in einer Halle zu haben – so viele, dass das klassische Begrüßen zu Beginn des Trainings in der 3-fach Turnhalle nicht in einer Linie erfolgen konnte sondern die Sportler sich ‘um zwei Ecken’ aufreihen mussten um alle unterzubringen! Wenn man sonst in kleinen Gruppen von 5-20 Leuten trainiert ist das wirklich ein Anblick, der Erinnerung bleibt – so viele ‘Rothosen’ auf einmal sieht man nicht alle Tage …

Die Teilnehmer/innen des Sommerlagers in Osterburg

In Erinnerung bleiben wird die folgende Einheit den meisten wohl als ‘das Training der offenen Blasen’, denn unser Ehrengast und Trainer, Großmeister Rodel Dagooc, 8. Dan, ließ keinen Zweifel an den bevorstehenden Trainingsmethoden! Wer Aufwärmen und Sinawalis schlagen in kleinen Gruppen bisher als laut empfunden hat, der wurde in den ersten 45 Minuten des Sommerlagers eines besseren belehrt. Die vorgesehene Bekanntmachung untereinander während der Sinawalis litt denn doch arg unter dem infernalischen Krach der ca. 300 aufeinander treffenden Stöcke.
Umso begeisterter versammelten sich die Beteiligten hiernach um die Organisatoren, um alles Wissenswerte über kostenfreie Getränke, leckeren Kuchen, Brandvorschriften und Essenszeiten zu erfahren. Eines war sehr schnell klar: das Angebot an Trainingseinheiten war umfassend und es war für jeden etwas dabei, egal ob 7. Dan oder 5. Klase.

Die dringend notwendige Stärkung mit Kaffee und Kuchen (danke dafür, Hubert!) ging fast nahtlos über die Abendsession, die bei freundlichem Sonnenschein noch mal ein echter Anreiz für die später Angekommenen darstellte.
Der Ausklang des Tages fand dann bei leckerer Apfelschorle und getrocknetem Obst statt. OK, einige bevorzugten dann doch Hopfenkaltschale und geistreiches Obst – aber geraucht wurde wenn dann nur draußen vor der Tür! Man hatte sich viel zu erzählen, was man plante, welche Einheiten bei wem, wo und warum – und so mancher stellte fest, dass er das sonst übliche Wochenpensum an Arnis schon am ersten Tag des SoLa hinter sich gebracht hatte!

Der zweite Tag, der Kopf ist schwer, die Arme noch viel mehr. Spätestens unter der Dusche oder am Waschbecken wurde den meisten klar: ich bin ein Fall für Leukotape und Hansaplatz (siehe oben, offene Blasen aller Orten). So kam es, dass schon am frühen Morgen alle Apotheken der Gemeinde ausverkauft waren, was dieses spezielle Verbandmaterial ging …
Schnell das Frühstück zu sich genommen (nix für Vegetarier übrigens sich morgens die leckere Altmarkwurstauswahl zu Gemüte zu führen), und ab zum Training. Aber halt, warum gucken die denn alle so gespannt? So viel zu Trinken gab es dann ja doch nicht am Abend? Die Unruhe und Anspannung hatte einen anderen Grund: PRÜFUNGEN!
Eine ganze Reihe tapfere Schüler und mutige Dan – Aspiraten mussten gesondert antreten, während die Mehrzahl dem ersten Morgentraining beiwohnte. Aber die besorgten Gesichter waren allesamt unnötig, die Prüflinge haben – bis auf eine Ausnahme – alle bestanden und konnten sich nachmittags über eine Verleihung der besonderen Art freuen: unter dem frenetischen Applaus aller Anwesenden wurden etliche höhere Graduierungen und auch einige höhere bzw. neue Danträger gefeiert. Nun, feiern mochten zumindest die Danträger abends nicht wirklich, denn das traditionelle Schlagritual wurde von Großmeister Rodel voller Enthusiasmus und Energie durchgeführt. Blaue Flecken auf dem Hinterteil nicht ausgeschlossen, besonders bei den ‘noch’ schlanken jungen Danträgern.

Nach einem Tag voller neuer Arnis Eindrücke, begeisterter Anteilnahme und etwas mehr Schwarz im Gürtel und Shirtbereich, wurde dann abends auch kräftig gefeiert. Der Dank gilt hier noch mal den edlen Spendern, die diesen Abend durch Mengen an kostenfreien Kaltgetränken sehr positiv ablaufen ließen – man munkelt, es wurde auf die narkotisierende Wirkung der Hopfenkaltschale abgezielt, um das vom Dan-Schlag schmerzende Gesäß zu betäuben.

Den folgenden Tag zu begrüßen fiel den Teilnehmern dann schon sichtlich schwerer, zumindest trudelte die Mehrzahl der Sportler erst gegen Ende der Essenszeit zum Frühstück ein. An dieser Stelle noch einmal ein dickes Lob für die perfekte Organisation des Lagers, denn bis zu diesem Zeitpunkt war wirklich keine Holprigkeit und kein Fehler im Ablauf zu verzeichnen – und dies sollte sich bis zum Ende des Lagers so halten!

Wieder war der Tag geprägt von jeweils zwei Einheiten am Vormittag und Nachmittag und einer ‘Dämmerstunde’ nach dem Abendessen. Leider ist es nicht möglich, hier zu jeder Einheit eine Erfahrung zu schildern, da es jeweils 6 (ja, sechs!) parallele Sessions gab, die teilweise ohne Beschränkung, teilweise nach Graduierung gestaffelt mehrmals angeboten wurden. Neben den ‘klassischen Themen’, die eine Vertiefung und Erweiterung der üblichen Prüfungs- und Trainingsinhalte ermöglichten (z. B. Doppelstockserien, Sinawali Variationen, Entwaffnungen, Reactive Knife etc.), gab es viele einmalige Einsichten in bisher unentdeckte Gebiete wie die Anyo Peru Isa (Langstock), Dinkin (Rattan in Ringform statt als Stock) und auch eher auf persönliche Erfahrung gerichtete Einheiten wie ‘Atmung und Gleichgewicht’, die sich allesamt großen Zuspruchs und heller Begeisterung erfreuten.

Abgesehen von den stark wechselnden (und abwechslungsreichen) Trainingsinhalten der Sessions unterschieden sich die Tage eigentlich nur durch die Anzahl der pünktlich erscheinenden Arnisadores zur Bekanntgabe, welcher Trainer wo welche Einheit anbieten würde. Das lag ganz klar an der hervorragenden Betreuung und Verpflegung zu den Essenszeiten (wobei so mancher die Zeit vergessen haben mag) sowie den entspannten und fröhlichen Diskussionen in den Runden der jeweiligen Vorabende.

Die Trainer (v.l.n.r.): Hans Karrer (5. Dan, Ulm), Helmut Meisel (3. Dan, Plön), Jorgen Gydesen (5. Dan, Ulm), Alfred Plath (4. Dan, Alpen), Peter Rutkowski (4. Dan, Essen), Datu Dieter Knüttel (7. Dan, Dortmund), Grandmaster Rodel Dagooc (8. Dan, Batangas/Philippinen), Sven Barchfeld (3. Dan, Dresden)
Apropos Abwechslung: Es wurden 24 Trainingseinheiten abgehalten, die ALLE 6-fach besetzt waren, also wurden jeweils sechs verschiedene Themen gleichzeitig unterrichtet. Da jede Trainingseinheit 90 Minuten lang war, summiert sich dies auf insgesamt 214 Zeitstunden Modern Arnis Training! Ich denke, dies verdient den Respekt und die Anerkennung aller Teilnehmer und setzt hohe Maßstäbe für kommende Veranstaltungen dieser Art!

All zu schnell neigte sich das Lager dann auch schon dem Finale zu, so dass einige Unerschrockene (der Autor eingeschlossen!) sich sogar den als freien Nachmittag geplanten Freitag mit der Verfeinerung der Technik befassten – denn am Samstag sollte noch mal eine Prüfung stattfinden!

So kamen denn auch einige Mutige in der Abendstunde des Freitag zum Prüfungsvorbereitungskurs bei Sven Barchfeld, um sich den letzten Schliff für das große Ereignis anzueignen – der Großteil der Sportler widmete sich derweil den Angeboten der anderen Trainer bzw. freute sich nach dem anstrengenden freien Nachmittag (Besuche in Osterburg und Umgebung, Shoppen, Eis essen, Kaffee trinken) auf die vorbereitete Sauna. In Anbetracht des bevorstehenden Endspurts fiel der Freitagabend recht ruhig aus und pünktlich um 9 Uhr stand ein knappes Dutzend Prüflinge aus dem In- und Ausland (Gruß an Aleksander nach Russland!) vor der Prüfungskommission – unterstützt durch einige Trainingspartner, die die ungraden Zahlen ausgleichen sollten. Unter den kritischen Augen der drei Prüfer wurden die Programme für die einzelnen Klasen abgearbeitet und so manch ernster Blick trieb den Prüflingen den (Angst-?)Schweiß auf die Stirn. Durch das je nach Klase länger werdende Prüfungsprogramm waren zunächst Weiß- und Gelbgurte am Ende, dann folgte der einzige Grün-Anwärter. Bis die Blaugurtaspiranten ihren Prüfungsteil beendet hatten, und ein gemeinsames ‘Chaosprogramm’ die Prüfung abschloss, bangten die unteren Klasen ob ihrer gezeigten Leistungen (man ist ja oft selbst sein ärgster Kritiker) um die erlösenden Worte der Prüfer. Die Abschlusskritik fiel dann, abgesehen von einigen Aufforderungen zur Detailverbesserung, doch sehr positiv aus, so dass alle Prüflinge sich auf die Ehrung nach dem Mittagsessen freuen konnten – nur das Vormittagstraining war leider aufgrund der Prüfungsdauer ohne die Prüflinge gelaufen…

Der letzte Nachmittag des Sommerlagers begann also mit der Verleihung der neuen Graduierung und der traditionellen Ehrung der neuen Danträger mit freundlichen Stockhieben durch den Großmeister *aua*. Die Einheiten des Nachmittags stimmten dann schon gut auf den geselligen Teil des Sommerlagers ein – die abendliche Grillparty, die dann leider wegen starken Regens im Inneren des Gebäudes abgehalten werden musste. Trotz der witterungsbedingten Einschränkungen feierten die DAV-Mitglieder und ihre Gäste (übrigens auch mit Sportlern aus der Schweiz, Tschechien, Italien, Frankreich und Russland) bei Wurst, Steaks und Salaten das überaus gelungene Sommerlager. Ein würdiger Abschlussabend, der das krönende Highlight einer durchweg perfekt organisierten und reibungslos verlaufenen Veranstaltung darstellte.

Der Sonntag war dann geprägt von allgemeiner Aufbruchstimmung, Verabschiedungsszenen und der Trennung von alten Freunden und neuen Bekannten. Als besonderes Schmankerl für die ausdauernde Fraktion (bzw. die ohne Haus, Hund, Frau/Mann, Familie und sonstige Magneten der Heimat) war dann das Abschlusstraining, gemeinsam durchgeführt durch alle Trainer des Sommerlagers und gekrönt durch eine Darbietung des Könnens der anwesenden Meister. Mit extremer Schnelligkeit, Bewegungseffizienz und Kontrolle des Gegners begeisterten Großmeister Rodel Dagooc, Datu Dieter Knüttel und die anderen Trainer das Publikum und ernteten frenetischen Applaus. Eine bessere Motivation als diese Darbietung kann man sich eigentlich nicht vorstellen!

Was bleibt ist die Erinnerung an eine außergewöhnliche Woche mit außergewöhnlichen Menschen, die alle mit Begeisterung bei der Sache sind und trotz der im Budosport üblichen und notwendigen Regeln und Vorschriften es perfekt verstehen, den Spaß an der Sache zu vermitteln! Nach einer Woche rot-weiß bzw. rot-schwarz gekleideten Menschen in der Abgeschiedenheit der Altmark möchte man also wirklich denken – oder gar wünschen, die Welt sei rot-weiß!

Ein besonderer Dank gilt einem außergewöhnlichen Gast des Sommerlagers: Großmeister Rodel Dagooc, 8. Dan Modern Arnis, der schon 1969 mit Modern Arnis begann und einer der besten Schüler von Großmeister Remy Presas auf den Philippinen war. Er hat alle Teilnehmer mit seinem Charme, Witz und seiner explosiven Technik begeistert – ich sage nur: ‘no problem’! Die Besucher des FMA -Festivals auf den Philippinen im nächsten Jahr freuen sich sehr auf ein Wiedersehen mit dem agilen, freundlich-verschmitzten Großmeister, der vom Niveau des DAV – besonders bei den Dan-Prüfungen – und der großen Anzahl Aktiver im fernen Europa sichtlich begeistert war.

Als Abschluss eignet sich am Besten der Kommentar eines Teilnehmers (Alter ~ 45 Jahre): ‘Ich habe schon bei vielen Lehrgängen und Camps in verschiednen Sportarten teilgenommen, aber so ein reibungsloses und von der Stimmung her angenehmes Trainingslager habe ich noch nie erlebt.’

In diesem Sinne freuen sich alle Aktiven, Trainer und Gäste auf das nächste Modern Arnis Sommerlager im Jahre 2007, bei dem das 10. Jubiläum dieser Veranstaltung begangen werden kann.

(C) Text: Sebastian Rohr, 3. Klase, Modern Arnis Gruppe Darmstadt, 19.08.2005

(C) Fotos: Detlef Rieger, Martin Kretzel, Sven Barchfeld

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